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Marx als Buttertrüffel
European Press Network (Paris), November, 2001

Von Daniel Sturm
Gefahr und Faszination, die früher einmal von Karl Marx ausgingen, haben sich heute in süßes Wohlgefallen aufgelöst. Ein so genannter "Marxtrüffel" aus Schockolade wirbt heute harmlos für Chemnitz, dem das sozialistische Regime von 1953 bis 1990 den Namen des deutschen Philosophen aufdrückte.
Erfinderin des Butternougats, den es in drei Ausführungen zu drei, sechs und neun Stück gibt, ist Evelin Döll, die Besitzerin der Confiserie "Zucker-Mäusel". "Gaumenfreuden war Marx sehr zugetan, auch wenn er sie sich nicht immer leisten konnte", weiß die Unternehmerin, die als gelernte Bibliothekarin in der DDR um die Schriften des Ökonomen nicht herum kam.

1999 hat sie sich den Karl-Marx-Trüffel und auch die Markenbezeichnung "Chemnitzer Praline mit Köpfchen" patentrechtlich schützen lassen. Die Bezeichnung spielt auf den Slogan "Chemnitz - Stadt mit Köpfchen" an. Beim Genuß des butterweichen Trüffels wird der doppelte Sinn verständlich, schließlich muß man sich erst durch eine weiße Schockoladen-Platte mit dem Konterfei von Karl Marx "durchbeißen". Angespielt wird auf Chemnitz als Stadt der Tüftler und klugen Erfinderköpfe, manche denken aber auch an den "Nischel" - wie die Chemnitzer das Karl-Marx-Monument nennen, das vom sowjetischen Künstler Lew Kerbel geschaffen wurde. Seit 1971 steht die Bronze-Büste, die sieben Meter hoch und 40 Tonnen schwer ist, an der Brückenstraße. Nach dem Ende der DDR hat das Monument für allerlei skurille Debatten gesorgt. Selbst die Pralinen-Verkäufer wurden nach der Einführung 1998 angefeindet, Kommunalpoltiker sprachen im Blick auf den Nougat-Marx von einer "Geschmacklosigkeit". Mittlerweile, meint die 57-Jährige Evelin Döll, habe sich der Streit um das süße Erbe Karl Marx' aber gelegt: "Die meisten Kunden sehen es einfach als Souvenir oder Schmäckerchen."

Mit Marx hat sich Zucker-Mäusel nun auch zum Familienbetrieb gemausert: Ehemann Hans und die Kinder Jana (31) und Mario (38) sind mit ins Geschäft eingestiegen, das unterdessen acht Mitarbeiter und drei Filialen zählt. Da die Dölls von Marx allein nicht leben können, sind sie auch noch ins Wein- und Whiskeygeschäft eingestiegen. Seit zwei Jahren führt Zucker-Mäusel einen original "Karl-Marx-Sekt" mit Designeretikett. Das Design bestimmt gewissermaßen das Bewußtsein.

Marx-Trüffel im Internet:
www.zucker-maeusel.de

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