Daniel Sturm
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Revolution mit Gesichtern
Reinhard Bohse, Gründer des Neuen Forums in Leipzig, über den Welttag der Pressefreiheit
Kreuzer, Mai 1999

Auf der Straße hat Reinhard Bohse, Gründer des Neuen Forums und heute Leiter des Innovatio-Verlages in Leipzig, die meisten von ihnen kennengelernt. Zehn Jahre nach der Revolution trommeln Bohse und der Medienstadtverein die Akteure von 1989 zum Welttag der Pressefreiheit zusammen (3. Mai). Die Veranstaltung steht unter UNO-Schirmherrschaft und hat in der Revolutionsstadt Leipzig eine so große Bedeutung wie in der Sahel-Zone der "Welttag zur Bekämpfung der Wüstenbildung".

Mit dem einzigen Unterschied: Daß die Stadt Leipzig ihr Ziel erreicht hat. Hier gelang es den Akteuren der Straße, das Informations-Monopol der SED zu brechen. Dabei, so Bohse, habe es seines Wissens kaum Plakate gegeben, die Meinungs- und Pressefreiheit einforderten. "Wir haben es einfach gemacht". Schließlich seien Rufe, sprachlich gewandte Plakatsprüche und Karikaturen nichts anderes als Ausdruck der erwachenden Pressefreiheit. Unvergessen etwa die Krenz-Karikatur "Großmutter warum hast du so große Ohren".

Da aus den meisten Wendefiguren von damals Leipziger Medienmacher von Rang und Klang wurden, mußte man sie dazu nicht erst ausgraben. Einige sind Chefredakteure von KREUZER oder LVZ (Björn Achenbach, Philipp v. Wilcke) geworden, einer ist Programmchef von MDR-Life (Jürgen Vogel) und auch Jan Höfgen (Denkmalschmiede Höfgen) ist als Ökobauer irgendwo auch Kulturschaffender. Rainhard Bohse selbst war jahrelang Pressesprecher der Stadt Leipzig

"Ich könnte mehrere Flaschen Sekt darauf trinken, daß die Russen abgezogen sind", meint Bohse. In der Podiums-Runde wird sich zeigen, ob der sonst sehr nüchterne Aktivist seine Androhung wahrmacht. Spannend dürfte auch die Debatte darüber werden, wie die Revolutions-Maschine überhaupt ins Rollen kam. Denn eigentlich, meint Bohse, waren die Motoren gerade nicht Studenten, Professoren oder Journalisten - wie etwa in der Tschechischen Revolution - sondern "die qualifizierten Arbeitnehmer, die einfach nur nutzbringend arbeiten wollten, die Studenten nahmen an den Demos erst teil, als keine Gefahr mehr bestand".

Akademiker wurde zu DDR-Zeiten nur, wer die intensive Sozialauswahl bestand. Daß den ostdeutschen Regionalzeitungen, die nach wie vor aus dem Fundus dieser Führungspersonen schöpfen, ihre Revolution noch nicht gehabt haben - das versucht Bohses Innovatio-Verlag gerade nachzuweisen. Die These, daß das grundoptimistische Bild der Freien Presse, Magdeburger Volksstimme oder LVZ diese Ursache hat, könnte am 3. Mai für Sprengstoff sorgen.

DANIEL STURM

3. Mai, 20 Uhr in der Moritzbastei (Ratstonne). Es diskutieren u.a. Jan Peter (Ex-DAZ-Chefredakteur), Björn Achenbach (KREUZER-Chefredakteur), Philipp v. Wilcke (Stv. LVZ-Chefredakteur), Jürgen Vogel (MDR-Life)