UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle:
Leipzig Permoserstraße. Zur Geschichte eines Industrie- und Wissenschaftsstandortes.
Passage-Verlag Leipzig 2001, 348 S.
Unveröffentlicht.
In den Archiven des Leipziger Friedhofsamtes "ruhen"
3.660 Todesanzeigen von Zwangsarbeitern, KZ-Häftlingen und ausländischen
Kindern, die auf ein wenig erforschtes Kapitel der Leipziger Stadtgeschichte
hinweisen. Tausende zwangsverpflichtete Ausländer aus den von der
Wehrmacht besetzten Gebieten ließen in der Leipziger Rüstungsindustrie
ihr Leben. Rund 40.000 Ausländer mußten 1943 in den Werken
der Leipziger Hugo Schneider Aktiengesellschaft (Hasag) unter Bewachung
von SS und Werkschutz Munition und Panzerfäuste produzieren, die
sich gegen ihr eigenes Volk richteten. "Und doch ist die Geschichte
des Betriebes fast vollständig verdrängt worden", schreibt
der Historiker Mustafa Haikal, der im Auftrag des Umweltforschungszentrums
Halle-Leipzig (UFZ) eine Dokumentation der Gräuel erarbeitet hat.
"Leipzig Permoserstraße" beschreibt die Geschichte des
Industrie- und Wissenschaftsstandortes, an dem sich nach der Wende das
UFZ als Nachfolgeeinrichtung der abgewickelten DDR-Institute der Akademie
der Wissenschaften etablierte. Allein das Verwaltungsgebäude des
Rüstungskonzerns im Leipziger Stadtteil Paunsdorf ist übriggeblieben,
und das ist schon nicht so selbstverständlich, schließlich
hat sich hier Paul Budin, der Hasag-Generaldirektor, zusammen mit seiner
Frau am 14. April 1945 in die Luft gesprengt, dabei zwei weitere Menschen
in den Tod gerissen und Firmenarchiv sowie Gebäudeteile zerstört.
Das Buch geht den Verbindungen des Überzeugungstäters Budin
zu SS- und Nazigrößen nach und zeigt sehr klar, wie Geisteshaltung
(Budin und Mitstreiter), Geschäftspolitik (die Rolle der Banken
und des Aufsichtsrates) und militärstrategischen Überlegungen
(Wehrmacht) aus der Lampenfabrik von 1863 in den 30er Jahren des 20.
Jahrhunderts eine todbringende Rüstungsfabrik entstehen lassen.
1944/45 wurden die nicht mehr arbeitsfähigen Zwangsarbeiter nach
Ausschwitz in den Tod geschickt, ab April '45 starteten ausgehend von
Leipzig und den Hasag-Zweigwerken in Thüringen und Sachsen die
so genannten Todesmärsche. Bis heute ist unbekannt, wieviele Todesopfer
sie kosteten.
DANIEL STURM