Ingo Dubinski. Die zweite Chance
Der früher Stasi-IM war darf wieder ARD-Unterhaltung moderieren
Tagesspiegel, Berlin, October 11, 2001
Daniel Sturm
Der Fernsehmoderator Ingo Dubinski kehrt auf den
Bildschirm zurück. Das haben die Intendanten der drei Sender, Udo
Reiter (MDR), Jobst Plog (NDR), und Peter Voß (SWR) gestern entschieden,
nachdem der MDR-Personalausschuss eine entsprechende Empfehlung abgegeben
hatte. Dubinski war Ende August vom Bildschirm verbannt worden, nachdem
seine Verstrickung in den Apparat der DDR-Staatssicherheit bekannt geworden
war. Während seines Wehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee
hatte er als Inoffizieller Stasi-Mitarbeiter (IM) einen Zimmernachbarn
ausspioniert. Dubinski habe bei dieser Aktion 1983 "Schuld auf
sich geladen", erklärte SWR-Intendant Peter Voß, der
die positive Empfehlung des Personalausschusses begrüßte.
Dubinksi habe aber von sich aus die IM-Tätigkeit beendet und eingesehen,
dass er als junger Mann einen "schweren Fehler" begangen habe.
Am 10. Dezember wird Ingo Dubinski nach Angaben des Norddeutschen Rundfunks
erstmals wieder die ARD-Fernsehlotterie "Ein Platz an der Sonne"
präsentieren. Die Sendetermine beim SWR ("Wunsch-Box")
stehen noch nicht fest. Die MDR-Sendung "Mit Dubinki reisen"
soll frühestens Ende des Jahres wieder starten.
Zu den Ursachen für die Weiterbeschäftigung
hält sich der MDR bedeckt. "Das fällt unter den Datenschutz",
sagte Sender-Sprecherin Birthe Gogarten. Es ließen sich auch keine
Vergleiche zu anderen Stasi-Fällen ziehen, die bei der ARD-Anstalt
bekannt geworden waren. "Jeder Fall wird einzeln geprüft."
Seit Jahresbeginn wurden immer wieder neue Fälle bekannt, was der
Dreiländeranstalt schon den Spitznamen "IM-DR" eingetragen
hat. Der öffentliche Wirbel um die Stasi-belasteten Beschäftigten
hatte Intendant Udo Reiter zuletzt dazu veranlasst, eine Überprüfung
aller festen und freien Mitarbeiter bei der Gauck-Behörde einzuleiten,
nachdem die Aufklärung von 1991 offensichtlich unzureichend gewesen
war.
Der Fall Dubinski wirft Fragen nach der Bemessungsgrundlage
für eine Weiterbeschäftigung auf, immerhin hatte sich der
Sender in den letzten Monaten von etlichen Journalisten und Moderatoren
wegen nachgewiesener Stasi-Mitarbeit getrennt. Der im mitteldeutschen
Sendegebiet sehr beliebte Moderator Oliver Nix ("Hier ab vier"),
der unlängst wegen Spitzel-Diensten für die Stasi seinen Moderatorenjob
verlor, freut sich für seinen ehemaligen Kollegen Ingo Dubinski.
"Ich hoffe, dass man jetzt vielleicht eine Debatte über persönliches
Versagen führen kann, die nicht automatisch damit endet, dass man
seinen Job verliert." Das "positive Signal", das von
der Weiterbeschäftigung Dubinskis für alle Betroffenen ausgehe,
ändere allerdings nichts an seiner Entscheidung, arbeitsrechtlich
nicht gegen den MDR vorzugehen. Der 36-jährige Oliver Nix, der
seit neun Monaten auf Jobsuche ist, baut derzeit zusammen mit einer
Unternehmensberaterin ein TV-Coaching-Geschäft auf.
Ein weiterer Umstand macht die Lage bei der größten
ostdeutschen ARD-Anstalt noch komplizierter: Stasi-belastete Redakteure,
die rein arbeitsrechtlich nicht entlassen werden können, hat Intendant
Udo Reiter per Verfügung erst einmal hinter die Kulissen verbannt.
Sie sollen keine redaktionellen Beiträge mehr verfassen, produzieren
oder vor Mikrofon oder Kamera sprechen, "die in Bezug zur Geschichte
der ehemaligen DDR stehen oder sich mit Themen befassen, die in diesem
Zusammenhang von besonderer politischer Brisanz sind". Dieser Erlass
geht auf einen Fernsehbeitrag der "Fakt"-Moderatorin Sabine
Hingst zum 40. Jahrestag des Mauerbau zurück. Da Hingst ebenfalls
Stasi-Mitarbeit vorgeworfen wird, gab es auf die Ausstrahlung hin empörte
Reaktionen. "Jemanden, der in der Öffentlichkeit so unter
Beschuss gelangt ist, ausgerechnet diesen Beitrag machen zu lassen,
halte ich schlicht und einfach für falsch", räumte MDR-Sprecher
Eric Markuse kritisch ein. Gleichwohl gehe aus der Gauck-Akte von Sabine
Hingst nicht hervor, "dass sie als IM für die Stasi tätig
war".
Obwohl der MDR die Stasi-Verstrickungen seiner
Mitarbeiter fast komplett aufgearbeitet hat, ist noch keine Normalität
beim Sender eingekehrt. Markuse berichtet von Radioreportern, die einen
Beitrag über das Leipziger Stasi-Museum produzieren wollten, von
den Museumsleuten aber nur äußerst unwillig eingelassen wurden.
Wie sehr die Glaubwürdigkeit des Senders angekratzt ist, musste
zuletzt ein MDR-Kameramann erfahren: Er wurde als "Stasi-Mann vom
Stasi-Sender" beschimpft.