Daniel Sturm
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40 Jahre Silhouette
Von Daniel Sturm, Chefredakteur 1988-1990
Schülerzeitung "Silhouette" am Nellenburg-Gymnasium Stockach (Landkreis Konstanz)

Was mich im Rückblick auf die Silhouette 1990 schon stutzig macht, ist, dass unsere Zeitung das Ende des Kalten Krieges nicht die Bohne widerspiegelt. Die Mauer fiel im November 1989, aber wir lachten uns einfach nur kaputt. Wir lachten über die Satirezeitschrift Titanic, die eine rothaarige Ostdeutscheauf den Titel setzte, mit einer geschälten Salatgurke in der Hand: "Zonengabis erste Banane" hieß die Schlagzeile.
Einer aus unserer Schülergeneration, Florian Illies, hat seinen Roman im Blick auf unseren Jahrgang 1970 (+/-) abfällig "Generation Golf" genannt. Er wollte damit sagen, dass unsereins sich vorrangig für Autos, Arbeit und alkoholische Mischgetränke konzentrierte, während man früher mehr für Atomausstieg, Arbeiterbewegung oder Apo war. Stimmt aber nicht. Obwohl das Auto, in dem wir Silhouette-Druckvorlagen, Aldi-Kekse und hübsche Autorinnen beförderten, Peter Kesslers Golf war, paßt diese Etikette nicht zu unserer "Generation Silhouette". Beliebigkeit war keine Zier in der Redaktion. Und wenn wir uns einmal den Konsum- und Werbegütern zuwandten, dann kritisch, wiewohl mit hohem Spaßfaktor.
So erinnere ich mich noch gut an einen großangelegten Kekstest, den der talentierte Autor Torsten Willmann durchführte. Ich weiss nicht mehr, wer oder was ihn auf diese Idee gebracht hatte. Wahrscheinlich waren es die großen Mengen Aldi-Kekse, die wir gewöhnlich im Vorfeld des langen Redaktionswochenendes in den Zeichensaal karrten. Die Industrie-Biskuits hatten seinen investigativen Instinkt geweckt. Ohne mit der Wimper zu zucken, mampfte er sich durch einige Packen durch. Wir krümelten uns vor Lachen. Klar schrie die weltpolitische Lage nicht gerade nach einer Keks-Kritik. Immerhin "machte" Helmut Kohl gerade die deutsche Einheit und ließ seine CDU-Parteisoldaten Bananen über Dresden abwerfen.
Die Story verweist aber auf eine bescheidene Neuerung "unserer" Silhouette-Generation: dass wir uns nicht so sehr von vorgefertigten Ansichten leiten ließen, auch nicht von solchen irgendwelcher Neunmalkluger. Richtig kritisieren kann man eben nur, was man aus eigener Anschauung kennt. Diese Wertschätzung der Empirie, die vor Enttäuschungen und unangenehmen Überraschungen schützt, geht sicher auch aufs Konto der altehrwürdigen Tante Silhouette.

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DANIEL.STURM@REPORTERS.DE
Ich arbeite übrigens seit 1998 als Journalist in Leipzig.