Surfen der Faz die "klugen Köpfe" davon?
Benchmark von Financial Times Deutschland-Online und Frankfurter
Allgemeiner
Media Tenor-Forschungsbericht, 8. Jahrg. Nr. 105, 15. Februar 2001
Von Daniel Sturm
Befürworter eines Tempo-Limits auf deutschen Autobahnen kommen
bei der gedruckten Faz eher selten zu Wort. Nun hat die "alte Tante"
eine Tochter in eine Welt ohne Tempo-Limit entlassen. Seit Jahresanfang
bewegt sich Faz.net auf dem Daten-Highway, wo unter anderem der Rausch
der Nachrichten-Geschwindigkeit zählt. In einer vergleichenden
Analyse des Medien Tenor ("Benchmark") mit dem Netz-Ableger
der Financial Times Deutschland unterliegt jedoch Faz.net vor allem
in Sachen Interaktivität.
Schnelligkeit ist gewiß nicht das einzige Kriterium eines gut
funktionierenden Angebots auf dem Daten-Highway. Gleichwohl befriedigen
schnelle und gut gemachte Netz-Zeitungen in ähnlicher Weise den
Informationshunger, wie er sich noch anno 1900 im Entstehen zahlloser
"Extra-Blätter" zur Mittags- oder Abendzeit ausdrückte.
Übersetzt ins Zeitalter des Internets heißt das: Wer schnell
Nachrichten aktualisiert, hat die Nase vorn. Der vom Medien Tenor entwickelte
Fragebogen zur vergleichenden Codierung der gebotenen Qualität
enthält so auch - neben weiteren 40 Kriterien - einige Fragen zur
Geschwindigkeit, wie zum Beispiel: "Wie schnell reagieren die Redaktionen
auf individuelle Anfragen?" Mit einer möglichst einfach gehaltenen
Anfrage, wo auf der Webseite von Ftd bzw. Faz sich Archiv bzw. Wetter
finden lassen, sollte dieses Gütemerkmal getestet werden. Das Ergebnis
spricht in diesem Punkt für die Ftd: während eine Mitarbeiterin
dieses Online-Teams nach knapp einer Stunde antwortete, verstrichen
gut 20 Stunden, bevor Faz.net eine Antwort-Mail schickte.
In der Eigenwerbung preist sich Faz.net als "world's first smart
site", was einen Kritiker zum bissigen Kommentar verleitete, bislang
stecke hinter Faz.net lediglich eine "Smartie-Site mit bunten,
alten Häppchen" (Woche, 19. Januar 2001). Das Ranking des
Medien Tenor bestätigt in der Tat die Schwäche der Zeitung
auf dem Feld der Interaktivität. Deutlicher Punktsieger ist hier
die Ftd mit eigenem Newsletter, ausführlichen Hinweisen auf Newsgroups,
wenigen Klicks zu Impressum, Abo-Abteilung und direktem E-Mail-Kontakt
zu einzelnen Redakteuren. Ein besseres Bild gibt Faz.net im Bereich
"Benutzerfreundlichkeit" ab. Die Übersichtlichkeit der
Nachrichten-Präsentation entspricht dem Standard. Die Faz-Suchmaschine
arbeitet so reibungslos wie die der Ftd und liefert zumeist aussagekräftige
Ergebnisse. Daß die Faz nicht alle Artikel frei zugänglich
macht, wie das Welt, Berliner Zeitung, Süddeutscher Zeitung und
Taz mit kostenlos zu nutzenden Datenbanken tun, läßt sie
gegenüber den Konkurrenten ins Hintertreffen geraten. Immerhin
bietet die Faz ihr Angebot auch in englischer Sprache an, was sie wieder
näher an das von der Werbeabteilung verordnete Image der "klugen
Köpfe" rückt. Doch es ist nicht ganz leicht, auf diese
Seiten zu gelangen. Zu groß ist das Tohuwabohu, das die Faz mit
der Aufspaltung ihrer Internet-Aktivitäten in Faz.de und Faz.net
angerichtet hat. Negativ zu Buche schlägt auch, daß viele
Angebote nur von jenen per Mausklick genutzt werden können, die
als zahlende Abonnenten registriert sind. Ganz unkomfortabel ist auch,
daß dem Nutzer nicht deutlich die "Verlinkung" mit der
gedruckten Faz angezeigt wird, obwohl andere Anbieter (Spiegel.de) diesen
Service längst durch farbliche Absetzung der Titel bieten. Die
Ftd leistet diesen Dienst immerhin über einen Textlink ("Heute
in der Zeitung"), der auf das Inhaltsverzeichnis der Printausgabe
führt.
Es ist noch zu früh für die Prognose, daß der Faz die
klugen Köpfe davonsurfen könnten. Ihre gedruckte Version setzt
sich bekanntlich gerade mit dem langsamen, aber an Qualität orientierten
Journalismus erfolgreich gegen den Journalismus der Info-Maniacs zur
Wehr. Gleichwohl beginnt sich derzeit die Spreu vom Weizen zu trennen,
was auch an den stark wachsenden Zu-griffszahlen des Wall Street Journal
und den sinkenden der anderen Netz-Zeitungen ablesbar ist. Die 32 Redakteure
von Faz.net hätten also allen Grund, sich die Informationspalette
der Ftd einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen. Die ist reichhaltiger
und hält einige kostenlose Schmankerl mehr für "kluge
Köpfe" bereit. Mit 1.947 Punkten ist die Ftd deutlicher Gesamtsieger
des Benchmarks, in dem Faz.net lediglich 1.534 Punkte erreicht.