Daniel Sturm
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"Ich bin kein Hochstapler"
Kreuzer, Mai 2002

Michael Kölmel, Betreiber des neuen Zentralstadions, der Mehrzweckhalle und der Festwiese, über seine Vision vom Leipziger Profifußball und das bevorstehende Management der Leere.

Er ist der Herr des Stadions, das am 22. Mai eröffnet wird: der Filmhändler Michael Kölmel. Als der Leipziger Stadtrat ihm im September 2000 den Zuschlag für die WM-Schüssel gab und ihn darüber hinaus zum Betreiber von Mehrzwecksporthalle und Festwiese machte, haftete dem Mathematiker der Ruf eines Genies an. Der Mann mit dem badischen Singsang in der Stimme hat Fußball und Fernsehen zu einer Art Zauberformel verwoben. Mit seinem Münchner Filmhandel Kinowelt Medien AG (»Der englische Patient«, »Italienisch für Anfänger«) legte er den Grundstock des Erfolges. Die Tochterfirma Sportwelt sollte mit der Vermarktung von Fußball ans Fernsehen Geld in die Kassen spülen. Dafür kaufte Kölmel die Fernsehrechte von 14 Vereinen, darunter von FC Sachsen und VfB Leipzig.
Doch aus dem »Robin Hood, dem Retter verarmter Traditionsvereine« (FAZ) wurde selbst ein armer Schlucker. Nach fehlgeschlagenen Versuchen, Fußball und Kino im großen Stil an Fernsehsender zu verkaufen, stürzte die am Neuen Markt notierte Kinowelt ab. Unter dem Druck der Gläubigerbanken musste Kölmel im Herbst 2001 ein Film- und Serienpaket, das er für 560 Millionen DM in Hollywood gekauft hatte, mit großem Verlust an die Warner Brothers zurückgeben. Jetzt bleibt dem gebürtigen Karlsruher noch der Handel von Videos und DVDs. Und das Fußball-WM-Stadion in Leipzig, in das er 54 Millionen DM gesteckt hat.

KREUZER: Zur Stadiongala des Deutschen Turnfestes werden erstmals seit dem Kirchentag 1998 wieder die Massen ins Stadion strömen. Haben Sie schon eine erbauliche Predigt vorbereitet?
MICHAEL KÖLMEL: Noch nicht. Wir bemühen uns, den Termin zur Fertigstellung des Rohbaus einzuhalten. Sowohl Bundeskanzler Schröder als auch Oberbürgermeister Tiefensee sind als Festredner angekündigt. Und ich gucke mir das auch an.

KREUZER: Bei den Verhandlungen um den Stadionneubau in Mönchengladbach waren Sie auch mit von der Partie. Warum investieren Sie in Leipzig und nicht dort,wo das sportliche Umfeld stimmt?
KÖLMEL: Gladbach ist zwar sportlich erfolgreich, aber die Stadionfinanzierung ist sehr viel riskanter. Ein Pluspunkt für Leipzig ist, dass der Bund und die Stadt den Neubau subventioniert haben. Die Unsicherheit, dass der Fußball noch nicht so weit ist, macht die Sache nur reizvoller.

KREUZER: Worin sehen Sie den Schlüssel zum geschäftlichen Erfolg des neuen Sportforums?
KÖLMEL: Das ganze Ensemble - Stadion, Halle, Festwiese - ist schön. Die Mehrzweckhalle ist sehr gut geworden. Es gibt bereits viele Anfragen im außersportlichen Bereich. Man kann auf relativ engem Raum ganz verschiedene Veranstaltungen anbieten. Nicht viele Städte haben eine so gute Anbindung an das Stadtzentrum. Außerdem zieht Leipzig wegen seiner Zentrumsfunktion Zuschauer aus der größeren Umgebung an.

KREUZER: Haben Sie in Ihrer Aufzählung den Fußball bewusst ausgelassen?
KÖLMEL: Das ist schon ein Schlüssel, aber damit halte ich mich im Moment zurück. Beide Mannschaften spielen in der 4. Liga und sind noch nicht einmal auf Aufstiegsplätzen. Wenn ich jetzt ankündige, dass sie demnächst das Stadion füllen, fällt das nur hämisch auf mich zurück. Solange die Vereine nicht höherklassig spielen, müssen im Zentralstadion sehr gute Länderspiele stattfinden. Oder attraktive Freundschaftsspiele. In der Sommerpause, wenn gute Teams nach Trainingspartnern suchen, ist das gut möglich. Vielleicht sogar unter Wettkampfatmosphäre.

KREUZER: Gibt es für Länderspiele in Leipzig schon genaue Festlegungen vom Deutschen Fußballbund?
KÖLMEL: Nein, aber es ist klar, dass der DFB die neuen Bundesländer stützen will. Es kann ja nicht sein, dass der gesamte Fußball in den Westen abwandert. Rostock hat zwar auch noch ein Stadion. Das erfüllt aber nicht den Standard für 44.000 Zuschauer.

KREUZER: Wenn Sie tauschen könnten,würden Sie nicht lieber die Arena AufSchalke oder die in München betreiben?
KÖLMEL: Bayern München ist auf dem Höhepunkt. Was soll da noch passieren? Außerdem ist dort alles in festen Händen, während man in Leipzig noch etwas aufbauen kann. Zwei Voraussetzungen, die wir selber nicht beeinflussen können, sind in Leipzig gegeben: die Finanzierung und die Tradition Leipzigs als Fußballstadt. Das lässt sich relativ schnell wieder reaktivieren,wenn sportlicher Erfolg dazukommt.

KREUZER: Das neue Stadion in München wird wie eine Naturerscheinung wirken und je nach Vereinsfarbe rot oder blau-weiß aufleuchten. Welche Besonderheiten bietet das Zentralstadion?
KÖLMEL: Es ist immer schwierig, auf eine alte Substanz aufzusetzen. Der Entwurf in Leipzig ist ganz gut gelungen, um aus dem alten Stadion ein neues zu machen. Das neue fügt sich optisch ganz gut ein. Das Kommen und Gehen ist hier harmonisch gelöst. Demgegenüber wird das neue Münchner Stadion zwar spektakulär wirken, aber es ist eben weit vom Stadtzentrum entfernt. Wenn sich der Fußball in Leipzig nicht gleich positiv entwickeln sollte, ist das gar nicht so schlimm. Denn je spektakulärer eine Fußballmannschaft spielt, desto stärker kommen die Menschen aus dem Umland. Bayern z. B. hat einen großen Zuschaueranteil von außerhalb. Die Münchner selbst gehen lieber zu 1860 München. Deshalb zogen sie auch das alte Grünwalder Stadion dem Olympiastadion vor. Bis sich Leipzig im Fußball entwickelt haben wird, ist dieser Effekt der Stadtangebundenheit also ganz schön.

KREUZER: Das klingt nach »klein, aber fein«.
KÖLMEL: Die Architektur ist auch so gestaltet, dass es wie ein kleineres 25.000-Zuschauer-Stadion aussehen kann. Stadien wirken fast wie Kinos. Wenn Sie ins Kino gehen, lassen Sie automatisch einen Platz frei und rücken nicht sofort auf. Das Kino ist dann zwar nur halb voll, aber Sie haben den Eindruck, es sei voll. Wenn man die oberen Ränge optisch abhängt - was in Leipzig möglich sein wird -, erreicht man eine gute Atmosphäre.

KREUZER: Besteht die Hauptaufgabe in den ersten Jahren darin, die Leere im Stadion zu managen?
KÖLMEL: Ich verspreche mir schon, dass mehr Zuschauer allein wegen des neuen Bauwerks kommen. Die alten Stadien erfüllen die Sicherheits- und Komfortbedingungen nicht mehr. Viele Besucher werden auch neugierig sein, die Arena live zu erleben. Man sitzt relativ dicht am Fußballfeld.

KREUZER: Ihre Vision für Leipzig war die Kombination von Fußball und Entertainment - Vater und Sohn schauen sich Ligaspiele an, Mutter und Tochter gehen ins Stadionkino. Gilt das noch?
KÖLMEL: Nein. Das macht keinen Sinn mehr. In Leipzig ist der Bedarf mit dem neuen Multiplexkino einfach gedeckt. Außerdem ist dessen Standort noch günstiger. Im kleinen Stil ist Kino natürlich auch im neuen Zentralstadion machbar, es gibt hier sowieso viel Equipment.

KREUZER: Wie steht es um Ihr Verhältnis zum FC Sachsen? Wird der im neuen Stadion spielen, und wenn ja, wird er wieder von Kölmel unterstützt?
KÖLMEL: Das Stadion ist für beide Vereine attraktiv, wenn sie höherklassig spielen. Sie haben dann mehr Zuschauer und größere Vermarktungschancen. Die Vergangenheit mit dem FC Sachsen bereiten wir gerade auf.

KREUZER: Als Sie erstmals hörten, dass Leo Kirch das Deutsche Sportfernsehen (DSF) abstoßen will, ganz ehrlich: Woran haben Sie zuerst gedacht?
KÖLMEL: Man kann Fernsehsender auch billiger betreiben. An sich ist das DSF eine ganz gute Marke. Mich würde wundern,wenn der Sender kaputtginge.

KREUZER: Die Kirch-Pleite wird vermutlich zu einem Preisrutsch im Fernsehgeschäft mit der Bundesliga führen. Sie vermarkten 14 Clubs. Wie soll es mit Ihrem Fußballengagement weitergehen?
KÖLMEL: Ich habe Sorge, dass unsere Vereine Etats planen mit Fernsehzahlungen, die sie nie erhalten. Hinter diesen fest eingeplanten TV-Erlösen stehen in der Regel längerfristige Arbeitsverträge mit Spielern. Ich weiß nicht, wie die darauf reagieren werden. Denn die Spielerverträge sind nicht an Fernseherlöse gebunden. Im Moment habe ich den Eindruck, dass die Vereine eine Kopf-in-den-Sand- Politik betreiben. Das könnte in der nächsten Saison ein großes Problem werden. Eigentlich müsste man ganz radikal vorgehen und sagen: Mein Verein geht gegen den Trend und versucht sich von den teuren Spielern zu trennen, spielt sportlich nur hinten mit, ist aber später einer der wenigen Vereine, die wirtschaftlich überlebt haben. Das zu sagen, traut sich kaum ein Präsident.

KREUZER: Vor zwei Jahren haben Sie gegen Kirchs Konzern mit 350 Millionen € um die Übertragungsrechte für die Bundesliga geboten. Kirch bekam zwar den Zuschlag, ist jetzt aber am Ende. Ihre Fußballvermarktung hat auch keine rechten Früchte getragen. Ist für Sie damit der Ofen aus?
KÖLMEL: Wir wollen uns dieses Jahr in einer guten Position konsolidieren. Unsere Hauptaufgabe ist, die Verschuldung wegzukriegen, um dann zuwarten zu können. Der ganze Markt ist in einer schwierigen Situation, weil die Werbeerlöse im Fernsehen unheimlich zurückgegangen sind. Darunter leiden alle. Und dann gibt es zusätzlich die Unsicherheit und Chance, dass sich die Eigentumsverhältnisse in den Fernsehsendern noch 2002 verändern.

KREUZER: Kann man mit dem Namen Kölmel überhaupt noch Investoren locken?
KÖLMEL: Das wird man dieses Jahr sehen! Wir haben ja nicht das Image, Hochstapler zu sein. Unsere Idee ist nicht aufgegangen: über ein großes Angebot an Spielfilmen das Manko auszugleichen, keinen eigenen Fernsehsender zu haben. Andere Geschäftsmodelle, die noch 1999 als ganz attraktiv galten - wie UMTS oder Pay-TV - stehen im Verdacht, auch nicht zu funktionieren. Was sich bei uns abgespielt hat, ist im Vergleich mit der Kirch- Krise ein kleineres Problem. Da kann man sich im Nachhinein nicht so viele Vorwürfe machen.

KREUZER: Sollte der VfB Leipzig in die Regionalliga aufsteigen,was haben Sie mit ihm vor?
KÖLMEL: Die Regionalliga ist eine komplizierte Liga, weil die Spieler wie Vollprofis bezahlt werden müssen. Das können Sie kaum refinanzieren. Das Fernsehen bringt allenfalls 350.000 € ein, erst in der 2. Bundesliga sind die Erlöse erheblich größer. Leipzig hat in der Regionalliga einen echten Standortnachteil gegenüber Mannschaften, deren wirtschaftliches Umfeld bedeutend stärker ist: Düsseldorf, Essen,Braunschweig.

KREUZER: Die Stimmung in den Leipziger Stadien erinnert an eine Mischung aus Nazi-Demo und Zonenmief. Wie lässt sich das bessere Publikum wieder für den Fußball begeistern?
KÖLMEL: Beim VfB ist die Erwartungshaltung viel größer, weil die mal in der 1. Bundesliga gespielt haben. Wenn sich Sponsoren wieder engagieren, kann die Situation unheimlich schnell kippen. Der SC Freiburg war früher der kleinere Verein von zwei Clubs in der Stadt, die haben gegen die Mannschaft des Dorfes gespielt, in dem ich aufgewachsen bin. Beide waren später in der 2. Bundesliga und sind binnen weniger Jahre wechselweise auf- und abgestiegen. Es hängt eben immer von den Personen ab, die sich gerade engagieren.

KREUZER: Wo sehen Sie Modelle, die man auf Leipzig übertragen könnte?
KÖLMEL: In den neuen Bundesländern war die Sportausbildung immer ganz gut. Sehr viele Talente, die dann zu West-Vereinen wechselten, stammen von hier. Der Aufschwung ist schon zu schaffen, zumal in Leipzig eine attraktive Sportinfrastruktur entsteht. Wenn jemand die Berufsperspektive »Profi-Fußballer« hat und in eine Stadt kommt, wo die Sportstätten 1A sind und die Lebensqualität hoch, dann zieht er dort gerne hin.

KREUZER: Dann bringen Sie der Olympiabewerbung Leipzigs wohl große Sympathien entgegen?
KÖLMEL: Ich finde das sehr gut,weil Leipzig dann zu einer Sportstadt wird. Sie können das vergleichen mit der Situation in Universitätsstädten, die auch im Wettbewerb stehen.

KREUZER: Wäre nicht eine Fusion der beiden Clubs eine Möglichkeit, dass das Publikum die miserablen Auftritte in den letzten Jahren vergisst und voller Enthusiasmus ins neue Stadion strömt?
KÖLMEL: Ich glaube, dass Leipzig zwei Fußballmannschaften verkraftet. Aus der Rivalität entsteht noch mehr Interesse für den Fußball,das sieht man in München oder Hamburg.

KREUZER: Sollten die Leipziger Fußballclubs über Jahre hinweg versagen: Steigen Sie dann aus?
KÖLMEL: Wenn das jetzt noch eine Zeit lang so anhält, würde mich das zwar stören, aber ich würde mich deshalb nicht zurückziehen. Wenn wir aber in zehn Jahren nichts erreicht haben, dann muss ich mir das noch einmal überlegen.

INTERVIEW: DANIEL STURM