"Wo wollen wir das Geld sonst
hernehmen, Erich?"
Kreuzer, Oktober 2000
Die Intershops sollten das System DDR mit Westdevisen
kitten. Die meisten der rund 500 Läden gab es in Berlin und Leipzig.
Still und leise gruben sie der DDR das Grab und ebneten Aldi den Weg.
Von Daniel Sturm
Wer in der DDR eine Goldkette kaufen wollte, mußte
sich die Frage gefallen lassen: "Was haben Sie denn zu bieten?"
Hatte man nicht preislich gleichwertiges parat, wies der unfreundliche
VEB-Verkäufer den Weg zur Tür. Nicht so im Intershop. Hier
gab es Goldkettchen gegen West-Cash. Und es roch dort nach BeErDe: Duftmischung
aus Hochglanz-Zeitungen, Tschibo-Kaffee und Waschpulver. Seit dem Berlin-Abkommen
der beiden deutschen Staaten 1971 sprossen diese Inseln des Kapitalismus
wie Pilze aus dem Boden. Die DDR-Regierung konnte und wollte nicht verhindern,
daß Westgeld mehr und mehr in Umlauf kam.
Garantiert diebstahlfrei, denn die gut riechenden
Westprodukte gab es nur hinter der Theke. Überall dort, wo Westbürger
nächtigten, setzte vom Ende der 60er Jahre ein verstärkter
Devisenhandel ein, denn die DDR benötigte die harte Währung
dringend. In Leipzig gab es Intershops am Flughafen Schkeuditz, auf
dem Messegelände, in den damaligen Inter-Hotels Interkonti (damals
Merkur), Astoria, Am Ring und Stadt Leipzig. Der Sache haftete durchaus
etwas Diskriminierendes an, denn nicht alle DDR-Bürger verfügten
über gleich viel Westgeld. Der Leipziger Historiker Christoph Kaufmann
zum Beispiel ist in jeder Hinsicht ein Experte in Sachen DDR-Alltagskultur,
weil er Ausstellungen für das Stadtgeschichtliche Museum konzipiert.
Beim Thema Intershops muß er achselzuckend passen. "Ich gehörte
zum unteren Rand der Käuferschicht".
Verantwortlich für die Devisen-Abzocke war
Alexander Schalck-Golodkowski, DDR-Staatssekretär im Ministerium
für Außenhandel. Seit 1975 auch Unterhändler mit einzigartigen
Befugnissen. Zur Frühjahrsmesse 1984 hat er im heutigen Leipziger
World Trade Center (Grassistraße) den Milliardenkredit mit dem
damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Joseph Strauß
ausgehandelt. Schon früher kooperierten westdeutsche Unternehmen
wie der Schuhhändler "Salamander" mit der Forum-Außenhandelgesellschaft,
die als Dachorganisation der Intershops in Berlin 800 Menschen beschäftigte.
Im Ost-Slang hieß das "Gestattungsproduktion" und bedeutete,
daß westliche Firmen in der DDR günstig produzierten und
als Gegenleistung einen Teil ihrer Waren dem dortigen Markt zur Verfügung
stellten. Ausgesuchte Betriebe der KoKo-Connection etwa sollten Salamander-Schuhe
als Lizenzprodukte unter Anleitung von westlichen Fachkräften herstellen.
"Nicht von ungefähr finden sich Führungskräfte von
Forum nach der Wende in den Chefetagen bundesdeutscher Großunternehmen
wieder", schreibt Alexander Schalck-Golodkowski mit irgendwie subtilem
Unterton.
Die Umsatzentwicklung von Forum war rasant - von
ca. 92 Millionen DM im Jahr 1971 stieg sie 1988 auf 1,1 Milliarden DM
an. Es handelte sich um den umsatz- und gewinnträchtigsten Sektor
von KoKo. "Die mühsam eingepaukten Parolen vom verfaulenden
Kapitalismus brachen angesichts ihrer bunten Warenwelt in sich zusammen.
Wirklich verfault roch es im volkseigenen Obst- und Gemüseladen",
schreibt der Berliner Historiker Stefan Wolle. Intershops wurden zum
"Schaufenster des Wohlstandsparadieses".
Dem Genossen Honecker muß diese Trübung
des Idealbildes ein Dorn im Auge gewesen sein, schließlich wollte
er schon 1979 auf seinen großen Bruder Breschnew hören, und
die Reichweite der Intershops beträchtlich eingrenzen. Doch Honni
ließ sich von Politbüromitglied Günter Mittag überzeugen.
"Wo wollen wir dieses Geld sonst hernehmen, Erich?", soll
Mittag laut Schalck-Golodkowskis Erinnerungen gesagt haben. Schließlich
läutete Spielgeld die letzte Phase der Intershops ein. "Um
die Sowjets zu überzeugen, erfanden wir die sogenannten Forum-Schecks.
Die konnte man gegen Devisen bei Filialen der Staatsbank erwerben und
damit in den Intershop-Läden einkaufen. Die Sache war ein Etikettenschwindel.
Praktisch blieb die DM Zweitwährung."
Ein gängiger Witz am Ende der DDR lautete:
"Wo ein Genosse ist, ist die Partei, wo zwei Genossen sind, ist
eine Parteiversammlung und wo drei Genossen sind, ist ein Intershop".
Bald bildeten sich Schlangen vor den Intershops - eine Vorwegnahme dessen,
was die Firma Aldi nach 1989 erlebte. Der Noch-DDR-Bürger erkannte
blitzschnell die hohe Dichte der Intershops und kaufte alles ratzfatz
leer. Auch der letzte Versuch, die Sache planwirtschaftlich in den Griff
zu bekommen, diesmal durch Helmut Kohl, der bei seinen Wahlveranstaltungen
zur Satisfaktion Bananen austeilen ließ, konnte den unaufhaltsamen
Siegeszug der West-Banane nicht stoppen.
Alexander Schalck-Golodkowski: Deutsch-deutsche
Erinnerungen. Rowohlt, Hamburg 2000.
Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft
in der DDR 1971-1989, Bonn 1998.