"Damit de Hajo nit naggisch dosteht"
Neue Amtskette für OB Hoffmann -
Schmuck
Saarbrücker Zeitung, September 30, 1993
Von unserem Mitarbeiter DANIEL STURM
Endlich hat Saarbrückens Stadtvater wieder
eine Amtskette: "Gold und Silber lieb' ich sehr, kann's auch gut
gebrauchen." Ein Lied, das OB Hajo Hoffmann seit gestern auf das
immer größer werdende Loch im Stadtsäckel trällern
kann. Pünktlich zum Tag der deutschen Einheit, der am Wochenende
in Saarbrücken über die Bühne geht, kann sich der Oberbürgermeister
wieder auf der Straße sehen lassen. Jahrelang blieb der höchste
Mann in der Stadt ohne Insignie. Die geschmiedete Kette - Symbol für
Amt und Würden - ist unter Oskar Lafontaine als OB verschollen
gegangen. Die Gerüchteküche munkelt, daß der Schmuck
heute irgendwo in der Toskana eine "Taverna" ziert.
Im Auto fehlte nichts außer der Amtskette
und einem neuen Paar Schuhe In Wirklichkeit sei alles ganz anders gewesen:
"Wir waren 1977 mit der Stadtkapelle in der Toskana", erinnert
sich Vorsitzender Peter Lichius lachend. Der damalige Oberbürgermeister
Oskar Lafontaine begleitete die Musiker auf ihrer Konzertreise durch
den sonnigen Süden. Die Amtskette habe er noch bei einem Empfang
in Montecatini gezeigt, wo Saarbrücken zu Gast war. Doch in der
Nacht vom 22. auf den 23. Juli geschah es.
"Im Auto fehlte nichts außer der Kette
und einem neuen Paar Schuhe", meint Peter Lichius. Die Heckscheibe
des Citro%:en, wo Lafontaine die edelmetallene Amtskette "in einer
altmodischen Aktentasche" liegen gelassen hatte, war sauber rausgetrennt.
Keine mysteriösen Umstände, keine feucht-fröhliche Wette,
sondern ein simpler Autodiebstahl also. Die Stadtkapelle hatte das Hotel
in der Raubnacht allerdings schon verlassen, als Lafontaine den Verlust
beklagte. "Vom Tathergang erfuhren wir erst in Saarbrücken",
erklärt Lichius. Er sieht keinen Grund, "an dieser Version
zu zweifeln".
An den Stammtischen und Arbeitsplätzen rankten
sich seit dem mysteriösen Raub in der Toskana unzählige Gerüchte.
Doch die Landeshauptstadt hatte alles andere im Sinn, als den teuren
Halsschmuck zu ersetzen. Bis auf weiteres blieb der OB bei festlichen
Anlässen eben "oben ohne".
Auch der Chef der Karlsberg-Brauerei, Dr. Richard
Weber, bekam von dem Mißgeschick Wind. An einem Biertisch - wie
könnte es anders sein. Bald faßte er den Schluß, der
Landeshauptstadt die alte Symbolkraft als Geschenk zurückzugeben.
Die Idee des "Kultursponsorings" verband Weber mit purem Mitleid:
"Ich wollte nicht mit ansehen, daß der Hajo am Deutschlandtag
naggisch dosteht."
Mit der teuren Halskette beauftragte er den Juwelier
Diether Hecker, der sich daraufhin mit vier Goldschmieden ans Werk machte.
770 Gramm Sterling-Silber und 60 Gramm Gold bauten
diese in 180 Arbeitsstunden ein. "Ich habe noch keine Rechnung
gemacht", hüllt sich Hecker über den Preis des edlen
Stücks in Schweigen. Sieben geschmiedete Bögen sollen Saarbrückens
Brücken darstellen, eingraviert sind die Wappen der Partnerstädte
Nantes, Cottbus und Tbilissi.
Und OB Hoffmann ist der lachende Dritte, schließlich
kann er als erster Stadtvater seit 1977 wieder mit würdevoller
Kette auf die Straße treten. Um den Wettstreit mit den Amtskollegen,
die zum Deutschlandtag aus nah und fern anrücken, ist ihm nicht
bange: "Ich bin sicher, daß sie die Schönste im ganzen
Lande ist".