Sagen die Saarbrücker dem Grünen
Punkt ade?
Sortieranlage registriert 30 Prozent weniger
Müll
Saarbrücker Zeitung, September 9, 1993
Von unserem Mitarbeiter DANIEL STURM
Ein Müll-Experte bangt um sein Geschäft:
"Die Leute sammeln 30 Prozent weniger als im März!".
Josef Paulus ist nach dem neuen Skandal des Dualen Systems Deutschland
(DSD) um Imagepflege bemüht. Schließlich stecken in seiner
Sortieranlage im Burbacher Weyerbachtal gut drei Millionen DM. Seit
November 1992 werden hier von Hand Wertstoffe aus den gelben Säcken
geklaubt. 500 Tonnen waren es im März, im August noch 350 Tonnen.
Die Saarbrücker seien sammelmüde, klagt Paulus.
Eine süß-saure Duftwolke hinterläßt
zunächst den Eindruck von Mülldeponie - mit einem klitzekleinen
Unterschied: Sauber gepreßt und gestapelt warten im Weyerbachtal
Hunderte von Müllballen auf ihren Abtransport. Stoffliche Wiederverwertung
wäre danach angesagt, wenn der Hauptabnehmer nicht in der Patsche
säße. Denn das DSD steht beim Kommunalen Abfallentsorgungsverband
(KABV) mit 14 Millionen DM in der Kreide (die SZ berichtete).
Leise surrend fördern die Fließbänder
den Abfall aus den gelben Säcken in die Firmenhalle. Mit Handschuhen
und Scharfblick sortieren Männer und Frauen den Müll aus:
Plastik, Alu, Verbundmaterialien. Die guten ins Töpfchen, die schlechten
ins Kröpfchen. Die Abnehmer der Grünen-Punkt-Ware verlangen
extreme Reinheit, sonst gibt's kein Recycling. Beim Aluminium schafft
Paulus mit seinen Leuten 98prozentige Sortierqualität.
Nach wie vor arbeitet das Duale System die sauber
sortierten Müllmengen nur im Schleichtempo auf. Rund 400 Tonnen
gepreßte Wertstoffballen lagern zur Zeit im Weyerbachtal. Diese
Woche wird Josef Paulus den Betrieb zwei Tage dichtmachen, "weil
einfach kein Material mehr da ist". Schon in der vergangenen Woche
machte er von diesem Mittel Gebrauch. Zwei Schichten à 20 Beschäftigte
blieben zu Hause, weil der Stoff nicht kam. Es klingt ulkig, aber es
ist wahr: Der berufliche Erfolg von Josef Paulus, ein kleiner Subunternehmer
des KABV, hängt am gelben Sack. Nicht Müllvermeidung, sondern
Rohstofflieferung ist für ihn höchstes Gebot. Doch viele der
400000 Saarländer machen nicht mehr mit. Seitdem das DSD in die
Schlagzeilen geriet, weil die Wertstoff-Fracht beim Deichbau in Singapur
oder zur Verbrennung in Frankreich landete, ist der Sammeleifer gebrochen:
"Die meisten denken, wir würden doch alles auf die Deponie
schmeißen!", erklärt Josef Paulus. Er will seine Hand
dafür ins Feuer legen, daß "in Indochina bisher kein
Saarbrücker Ballen gefunden wurde".
Der Sammeleifer ist gebrochen
Was noch nicht ist, kann allerdings noch werden.
Nicht aber mit Josef Paulus. Denn selbst wenn der Grüne Punkt endgültig
den Bach runter ginge, will der Müll-Ingenieur für solide
Wiederverwertung gerade stehen. "Wir haben uns Gedanken gemacht,
was danach geschieht", läßt Paulus die sorgenvollen
Tage Revue passieren. Mit Rückendeckung des KABV-Chefs Professor
Peter Bähr faßt er eine eigene Wertstoff-Verarbeitung ins
Auge. Derzeit nimmt die Firma "STF" aus Aicha bei Passau den
Saarbrückern noch das Plastik ab. Aus Joghurtbechern, Folien und
Wasserflaschen werden neue Folien, Behälter und Granulat. Auf dem
10000 Quadratmeter großen Gelände im Weyerbachtal will Josef
Paulus die sortierten Kunststoffe künftig selber granulieren.
Hehre Ziele, zu deren Erfüllung der rührige
Ingenieur die Mithilfe der Bürger braucht. Doch momentan mangelt
es überall. Verschmutzte Verpackungen, Glas und Papier landen im
gelben Sack. Dinge, die dem Sortierbetrieb das Leben schwermachen. Und
da steht noch die "bis auf die Schraube genau gleiche" Anlage
in Chemnitz. Geplante Investitionen von zwei Millionen DM liegen in
Saarbrücken auf Eis. Was bleibt, ist die Hoffnung. Dazu die neueste
Meldung aus dem Rathaus: KABV-Chef Peter Bähr ist bereit, dem Dualen
System Kredite einzuräumen. Bürgermeisterin Margit Conrad
bittet die Bürger, im Sortieren nicht nachzulassen.