Daniel Sturm
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Ein Kind der Revolution

... ist Katharin Führer, Tochter des Nikolaikirchen-Pfarrers. Am 1. Juli eröffnete sie in der Seitenkapelle den Nikolaitreff.

Vor '89 entdeckten viele Ausreisewilligen die Nikolaikirche als Fluchtpunkt, heute steht das Thema Arbeitslosigkeit im Vordergrund. Seit 1. Juli weist ein Regenbogen-Symbol den Weg durchs große Kirchenschiff in die nördliche Seitenkapelle, den Nikolaitreff. Bei Kerzenlicht, Kaffeeduft und sphärischer Musik kommt Katharina Führer mit Touristen, drogenabhängigen Jugendlichen und sozial Schwachen ins Gespräch. "1989 war ein wichtiger Impuls für mich und mein Leben", sagt die Tochter des Nikolaikirchen-Pfarrers. An die Solidarität von damals, inmitten der Friedensgebete, erinnert sich die 30jährige besonders gerne, vor allem weil sie diese für nötiger denn je zuvor hält. "In der sächsischen Verfassung ist die Arbeit als Staatsziel beschrieben", betont Führer. Im krassen Mißverhältnis dazu erlebt sie den Alltag der Menschen, die im Nikolaitreff, aber auch in der benachbarten Kirchlichen Erwerbsloseninitiative Rat suchen. Arbeitslose aller Generationen diskutieren hier ihre Probleme, und spiegeln mitunter eher eine Kultur der Arbeitslosigkeit, von der in der Sächsischen Verfassung so nichts steht. Doch Katharina Führer schaut dem Turbokapitalismus nicht allein ins Auge: 15 ehrenamtliche Mitarbeiter ("die sind immer frisch") stehen ihr zur Seite. Außer den normalen Bustouristen, die oft nur wenige Minuten Zeit haben, steuern vermehrt solche Besucher den Nikolaitreff an, die noch einmal die Zeit vor 1989 revue passieren lassen wollen. Ein alter Matrose aus Hamburg gehört dazu, der an allen osteuropöischen Hafen an Land gehen konnte, sich aber in Rostock kaum von seinen finster freinblickenden Begleitern lösen konnte, aber auch ehemalige DDR-Bürger, die 1989 ausreisen durften und seither selten an die verlassene Heimat denken wollten. Neulich erhielt Katharina Führer ein Westpacket mit Dritte-Welt-Kaffee. Da hat sie sich ehrlich gefreut.
Nikolaitreff, Seitenkapelle in der Nikolaikirche, Montags bis Freitag 12-18 Uhr, Kirchliche Erwerbsloseninititative, Ritterstr. 5, Treff für jüngere Arbeistlose, Donnerstag 10 Uhr.