Sind Leipziger Feldjäger Waschbrettköpfe?
Kreuzer, November 2000
Wer Soldaten "Kettenhund" oder "Waschbrettköpfe"
nennen will, sollte es sich gut überlegen. Er könnte wie taz-Autor
Wiglaf Droste wegen ehrkränkender Beleidigung bestraft werden.
Ein Leipziger Soldat, der Kommandeur des Feldjägerbataillons Major
Güldner, hat im Namen der Bundesrepublik erfolgreich geklagt.
Ist das Wort "Waschbrettkopf" eine Beleidigung?
Diese Wortschöpfung des Satirikers Wiglaf Droste beschäftigte
Ende September eine Richterin im Moabiter Amtsgericht. Der kurze Prozess
endete für den 39-Jährigen mit einer Geldstrafe von 2.100
Mark. Droste hatte Ende Juli 1999 auf der Satireseite "Wahrheit"
der tageszeitung Feldjäger als "Waschbrettköpfe"
bezeichnet. Anlaß war das vorangegangene Berliner Bundeswehrgelöbnis:
Nur mit Slips bekleidete junge Frauen hatten damals nackt protestiert
und waren von den Leipziger Feldjägern überwältigt worden.
"Wir waren damals mit der Sicherung der Gelöbnisfeier beauftragt",
bestätigt der Leipziger Major Gerlich. Das Feldjägerbataillon
701 residiert am Stadtrand, in der Wiederitzscher General-Olbricht-Kaserne.
Dort arbeiten Soldaten, auf die der Bundeswehr-Werbespruch "eine
harte Truppe" zutrifft, denn sie sind es gewohnt, in Notfällen
hart durchzugreifen. Im Kosovo waren einige Leipziger als Militärpolizisten
im Einsatz und mußten als erste zum Tatort, wenn im deutschen
Sektor irgendwo ein Massengrab entdeckt wurde.
Die volle Packung Bürgerkrieg ertragen, das heißt: den Geruch
verwesender Leichen in der Nase spüren, die Skelette von Kindern
vor Augen haben und über Schädel stolpern. Dem gegenüber
scheint der Einsatz in Berlin -- denn nackte Frauen und Männer
sind sozusagen "unschuldig" -- eher ein Kinderspiel. Aber
Gerlich will darüber nicht viele Worte verlieren, schließlich
habe er sich "zu jener Zeit im Ausland befunden." Er verweist
auf den zuständigen Kommandeur des Bataillions, Major Güldner,
der "im Namen der Bundesrepublik Deutschland" gegen Droste
Anzeige erstattet habe.
Güldner gibt sich, nachdem der KREUZER 20 Mal den telefonischen
Kontakt gesucht und jeweils um Rückruf gebeten hatte, kurz angebunden.
"Keine Zeit, fortwährend Besprechung, Einsatz in Potsdam".
Dem ostdeutschen Offizier scheint die Sache nicht besonders ehrenwert
zu sein, so, als habe er niemals damit gerechnet, den Prozeß gegen
den Autor zu gewinnen. Schließlich war ein ähnlicher Versuch,
den Satz "Soldaten sind Mörder" per Unterlassungsklage
unter Verbot zu stellen, nicht von Erfolg gekrönt. Das Bundesverfassungs-gericht
wies die Klage 1994 zurück. Endlich ist Kommandeur Güldner
persönlich an der Strippe und erteilt die Zusage, nach 20 Uhr zu
einem Gespräch bereit zu sein. "Jawohl, jawohl, jawohl".
Das Urteil gegen Droste, eine Posse? Ralf Sotscheck, der damalige Leiter
der Berliner taz-Redaktion, kommentierte den Vorgang unlängst
in seiner Zeitung: "Mörder wollen keine Waschbrettköpfe
sein? Das ist so ähnlich, als wenn ein verurteilter Kinderschänder
sich darüber beschwert, daß ihm in der Presse schmutzige Fingernägel
unterstellt werden."
Sotscheck, der heute Irland-Korrespondent der taz ist, befragte
doch glatt den Chef einer Wäscherei in Süd-Dublin, ob er die
Bezeichnung "Head of the wash board" als Beleidigung empfinde.
"Ich habe kein Problem damit", habe der Ire geantwortet.
Wiglaf Droste bleibt unterdessen bei seinem Urteil und geht in Revision.
Als Recht auf freie Meinungsäußerung will der Satiriker auch
eine noch viel härtere Passage durchfechtem als die mit dem Waschbrett.
"Daß einer, der wahrscheinlich als Mensch geboren wurde, das werden
konnte -- ein Feldjäger", hatte Droste geschrieben. Staatsanwalt
und Richterin werteten diesen Satz übereinstimmend als "ehrkränkende
Beleidigung" -- und fühlten sich wohl in der Straf-Bemessung
bestärkt, als Droste die Gelegenheit des Schlusswortes weidlich
ausnutzte und Feldjäger als "Typen" beschimpfte, "die
nicht mehr auf der Pfanne haben, als nackte Frauen zu verkloppen"
und "im Ernstfall Deserteure aufhängen". Es sei ein Unding,
so Droste, "daß die hinterher noch zum Staat rennen und sagen,
der hat mich beleidigt". Im Schlußwort wies Droste darauf
hin, daß jemand, der sich beleidigt fühle, aber nicht mal erscheine,
das Letzte sei. Major Güldner war für den KREUZER auch um
20 Uhr nicht zu sprechen.
DANIEL STURM