Daniel Sturm
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Sind Leipziger Feldjäger Waschbrettköpfe?
Kreuzer, November 2000

Wer Soldaten "Kettenhund" oder "Waschbrettköpfe" nennen will, sollte es sich gut überlegen. Er könnte wie taz-Autor Wiglaf Droste wegen ehrkränkender Beleidigung bestraft werden. Ein Leipziger Soldat, der Kommandeur des Feldjägerbataillons Major Güldner, hat im Namen der Bundesrepublik erfolgreich geklagt.

Ist das Wort "Waschbrettkopf" eine Beleidigung? Diese Wortschöpfung des Satirikers Wiglaf Droste beschäftigte Ende September eine Richterin im Moabiter Amtsgericht. Der kurze Prozess endete für den 39-Jährigen mit einer Geldstrafe von 2.100 Mark. Droste hatte Ende Juli 1999 auf der Satireseite "Wahrheit" der tageszeitung Feldjäger als "Waschbrettköpfe" bezeichnet. Anlaß war das vorangegangene Berliner Bundeswehrgelöbnis: Nur mit Slips bekleidete junge Frauen hatten damals nackt protestiert und waren von den Leipziger Feldjägern überwältigt worden.

"Wir waren damals mit der Sicherung der Gelöbnisfeier beauftragt", bestätigt der Leipziger Major Gerlich. Das Feldjägerbataillon 701 residiert am Stadtrand, in der Wiederitzscher General-Olbricht-Kaserne. Dort arbeiten Soldaten, auf die der Bundeswehr-Werbespruch "eine harte Truppe" zutrifft, denn sie sind es gewohnt, in Notfällen hart durchzugreifen. Im Kosovo waren einige Leipziger als Militärpolizisten im Einsatz und mußten als erste zum Tatort, wenn im deutschen Sektor irgendwo ein Massengrab entdeckt wurde.

Die volle Packung Bürgerkrieg ertragen, das heißt: den Geruch verwesender Leichen in der Nase spüren, die Skelette von Kindern vor Augen haben und über Schädel stolpern. Dem gegenüber scheint der Einsatz in Berlin -- denn nackte Frauen und Männer sind sozusagen "unschuldig" -- eher ein Kinderspiel. Aber Gerlich will darüber nicht viele Worte verlieren, schließlich habe er sich "zu jener Zeit im Ausland befunden." Er verweist auf den zuständigen Kommandeur des Bataillions, Major Güldner, der "im Namen der Bundesrepublik Deutschland" gegen Droste Anzeige erstattet habe.

Güldner gibt sich, nachdem der KREUZER 20 Mal den telefonischen Kontakt gesucht und jeweils um Rückruf gebeten hatte, kurz angebunden. "Keine Zeit, fortwährend Besprechung, Einsatz in Potsdam". Dem ostdeutschen Offizier scheint die Sache nicht besonders ehrenwert zu sein, so, als habe er niemals damit gerechnet, den Prozeß gegen den Autor zu gewinnen. Schließlich war ein ähnlicher Versuch, den Satz "Soldaten sind Mörder" per Unterlassungsklage unter Verbot zu stellen, nicht von Erfolg gekrönt. Das Bundesverfassungs-gericht wies die Klage 1994 zurück. Endlich ist Kommandeur Güldner persönlich an der Strippe und erteilt die Zusage, nach 20 Uhr zu einem Gespräch bereit zu sein. "Jawohl, jawohl, jawohl".

Das Urteil gegen Droste, eine Posse? Ralf Sotscheck, der damalige Leiter der Berliner taz-Redaktion, kommentierte den Vorgang unlängst in seiner Zeitung: "Mörder wollen keine Waschbrettköpfe sein? Das ist so ähnlich, als wenn ein verurteilter Kinderschänder sich darüber beschwert, daß ihm in der Presse schmutzige Fingernägel unterstellt werden."

Sotscheck, der heute Irland-Korrespondent der taz ist, befragte doch glatt den Chef einer Wäscherei in Süd-Dublin, ob er die Bezeichnung "Head of the wash board" als Beleidigung empfinde. "Ich habe kein Problem damit", habe der Ire geantwortet.

Wiglaf Droste bleibt unterdessen bei seinem Urteil und geht in Revision. Als Recht auf freie Meinungsäußerung will der Satiriker auch eine noch viel härtere Passage durchfechtem als die mit dem Waschbrett. "Daß einer, der wahrscheinlich als Mensch geboren wurde, das werden konnte -- ein Feldjäger", hatte Droste geschrieben. Staatsanwalt und Richterin werteten diesen Satz übereinstimmend als "ehrkränkende Beleidigung" -- und fühlten sich wohl in der Straf-Bemessung bestärkt, als Droste die Gelegenheit des Schlusswortes weidlich ausnutzte und Feldjäger als "Typen" beschimpfte, "die nicht mehr auf der Pfanne haben, als nackte Frauen zu verkloppen" und "im Ernstfall Deserteure aufhängen". Es sei ein Unding, so Droste, "daß die hinterher noch zum Staat rennen und sagen, der hat mich beleidigt". Im Schlußwort wies Droste darauf hin, daß jemand, der sich beleidigt fühle, aber nicht mal erscheine, das Letzte sei. Major Güldner war für den KREUZER auch um 20 Uhr nicht zu sprechen.

DANIEL STURM