Anderswo bleibt der Bus draußen
Die Fußgängerzonen vieler Städte gehören ganz allein
den
Passanten
Saarbrücker Zeitung, August 20, 1993
Von unseren Mitarbeitern DANIEL STURM und FLORIAN
WEBER
Bus contra Fußgänger. Die "autofreie"
Bahnhofstraße steht wegen der trennenden Busspur im Kreuzfeuer
der Kritik. "Eine Fußgängerzone, durch die Busse fahren,
ist keine Fußgängerzone", denkt so mancher Passant.
Wie haben andere Städte das Problem gelöst? Oder gibt es nur
in der Saar-Metropole Querelen um den Bus? Die SZ hat sich umgehört.
Gestern wurde es offiziell: Die Fußgängerzone
in Saarlouis ist freigegeben. Am Dienstag war die Einkaufsmeile gesperrt
worden. Für Autos und Busse. Gewehrt hatten sich dagegen vor allem
die Kreisverkehrsbetriebe Saarlouis. Jetzt müßten Umwege
gefahren werden. Und die kundenfreundlichen Haltestellen seien verlorengegangen.
Die verkehrsfreie Straße ist aber nur ein Versuch. Schlägt
der fehl, kann sie nach einem Jahr kostengünstig wieder abgeschafft
werden. Doch das glaubt der größte Teil der Kaufleute in
der Fußgängerzone ebensowenig, wie die Verwaltung im Rathaus.
Aber es gibt auch Stimmen, die der Meile den "Tod" prophezeien.
Abwarten ist angesagt.
Neunkirchen hat sein innerstädtisches Gesicht
bereits 1979 zum Liften freigegeben. Mit der Einweihung des "Blies-Zentrums"
tat man den ersten Schritt in ein autofreies Einkaufsgebiet. Nachdem
dann das Eisenwerk 1982 seine Pforten schloß, machten Verkehrsplaner
Nägel mit Köpfen: Das alte Fabrikgelände wurde zum Geschäftsviertel
umgemodelt, die Straßenführung geändert. Seit 1989 dürfen
hier weder Autos noch Busse rein. Über die Ost-West-Achse "Lindenstraße"
befördern acht Buslinien, aber auch Autos die Besucher direkt zum
"Stummplatz". Heute reiben sich dort vor allem Geschäftsleute
und der öffentliche Nahverkehr die Hände: 13 Prozent mehr
Fahrgäste und damit Umsatzsteigerungen. 1200 zusätzliche Parkplätze
am Saarpark-Center sorgten für das Einkäufer-freundliche Image
der Stadt, berichtet Pressereferentin Ute Kobold.
Der Rausschmiß der Busse aus der Meile ist
von Anfang an geplant gewesen Heute ist es undenkbar, daß sich
Busse durch die Touristenströme in der verwinkelten Fußgängerzone
von Trier quälen. Vorübergehend schoben die Busse Passanten
mit einem dezenten Klingelzeichen statt hupend aus dem Weg. Doch am
1. Mai 1984, kurz vor der 2000-Jahrfeier, mußten die Busse weichen.
Der "Rausschmiß" sei ja von Anfang an geplant gewesen,
erzählt Ewald Thisse, technischer Leiter der Stadtwerke Trier.
Schließlich habe die Umleitung der Busse auf die parallel geführte
Trasse keine größeren Probleme verursacht. Die befürchteten
Einbußen für die Geschäfte in der Altstadt-Meile blieben
aus, da sich die Fußwege von den Haltestellen in die Geschäfte
im Rahmen des Erträglichen bewegen würden. Insgesamt stehe
die Busfreiheit der Zone gut zu Gesicht.
"Überhaupt gar kein Problem" gab
es in Kaiserslautern mit den Bussen. Denn als dort die Fußgängerzone
eingeführt wurde, rollte auf den entsprechenden Straßen sowieso
kein öffentlicher Nahverkehr, erzählt der Pressesprecher der
Stadtverwaltung, Gerhard Westenburger. Dennoch habe die Geschäftswelt
erst mal lamentiert. Heute ist sie hochzufrieden. Die aktuellen Probleme
seien anderer Natur: Hundekot und nicht abfließendes Regenwasser
machen den Einkaufsbummel auf der Promenade des öfteren zum Hindernislauf.
In Karlsruhe haben Autos und Busse seit fast 20
Jahren nichts mehr zu melden. Im Spätsommer 1974 feierten die Nordbadener
ihre neue Fußgängerzone mit einem Volksfest. Die gute, alte
Straßenbahn rattert nach wie vor durch die Hauptverkehrsachse
der Stadt: die Kaiserstraße. Durchschnittlich alle 50 Sekunden
befördern sechs Linien die Kunden auf die Einkaufsmeile, berichten
die "Badischen Neuesten Nachrichten". Das Umland ist nahezu
optimal mit dem Herz der Stadt verbunden, die Akzeptanz unter Einheimischen
entsprechend gut. Allerdings gibt es ein Radfahrverbot bis 19 Uhr.
Ganz allein gehört die Innenstadt von Pforzheim
den Fußgängern erst seit 1989. Zwei Jahre zuvor mußten
die Einkäufer noch den täglichen Busverkehr in der "Zone"
erdulden. Nach massiven Bürgerprotesten wurde jedoch das "größte
Ärgernis" beseitigt, so Stadtpressesprecher Michael Strohmayer:
Busse dürfen seit 1989 nicht mehr in die Karl-Friedrich-Straße.
Wo früher die Bundesstraße fast zum Verkehrskollaps führte,
ist heute ruhiges Promenieren möglich. 25000 Fahrgäste steigen
täglich am Leopoldsplatz, dem Beginn der Fußgängerzone,
aus. Nach anfänglichen Mißklängen jubilieren jetzt auch
hier die Geschäftsleute. Die Fußgängerzone wird auf
weitere Straßenzüge ausgedehnt. Dort allerdings mit Bussen.