"Wie der Teufel das Evangelium"
Jana Musmann fürchtet um ihr Bleiberecht, doch die Behörde
schweigt.
Kreuzer, April 1999
In Leipziger wie in anderen deutschen Amtsstuben
sind Gesetzestexte oft wie heilige Texte: nirgends liegen sie aus und
vom Hohepriester, der die Texte mit Klarheit und Liebe auszulegen bereit
wäre, fehlt jede Spur.
Stattdessen hören Ausländer wie Jana
Musmann dann Sätze wie am Stammtisch: "In drei Monaten müssen
wir sie abschieben".
Jana lebt seit sieben Jahren in Deutschland und
ist seit fünf Jahren mit einem Deutschen verheiratet. Seit 1998
steht ihr deshalb ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu. Doch
ihr psychisch kranker Mann, der schon den halben Bekanntenkreis bei
der Polizei angezeigt hat, hat jetzt seine eigene Frau verleumdet und
ihr "Scheinehe" vorgeworfen.
Obwohl Musmann ein halbes Dutzend ärztlicher
Attests besitzt, die belegen, daß ihr Mann dauerhaft Psychopharmaka
schluckt, fanden die Worte des Deutschen Gehör bei der Ausländerbehörde.
Musmanns Aufenthaltsgenehmigung wurde nur bis zum 16. April verlängert
- vorläufig.
"Wenn das so ist, dann muß eine schriftliche
Strafanzeige vorliegen und der Mann muß sich selber angezeigt
haben", sagt Karin Pergold vom Verband binationaler Familien und
Partnerschaften (iaf). Außerdem müßten der ermittelnden
Behörde triftige Beweise, zum Beispiel ein Beleg über den
"Kaufpreis" von etwa 10.000 DM vorliegen. Doch die Ausländerbehörde
hüllt sich hierzu in Schweigen: Nach zehn Tagen dauernden Nachfragens
meldete sich schließlich der stellvertretende Amtsleiter beim
KREUZER: Er kenne die Telefonnummer der Pressesprecherin der Stadt Leipzig
nicht. Diese hatte zehn Tage zuvor grünes Licht für eine Auskunft
erteilt.
"Das ist eine schlimme Sache", meint
Pergold von der iaf. Der Verband, dessen Geschäftsstelle für
die neuen Bundesländer in Leipzig ist, fordert eine Änderung
des Paragraphen 19 des Ausländergesetzes. Dieser legt fest, daß
ausländische Ehepartner erst nach vier Jahren ein eigenes Bleiberecht
bekommen. Nach Ansicht von Kritikern verleitet der Paragraph leicht
zum Machtmißbrauch, da der ausländische Partner in den ersten
vier Jahren oft vom good will des Deutschen abhängig ist.
Um die Rechte der "lieben ausländischen
Mitbürger" scheren sich die Behördianer oft wenig. Darum
müssen sich die Ausländer schon selber kümmern. Viele
deutsche Ausländer sind deshalb unwillentlich zu Privatgelehrten
geworden, kaufen sich die neueste Ausgabe des Gesetzestextes, während
man auf dem Amt mit vergilbten Kopien arbeitet. Macht ja auch gar nichts,
denn weder das Gesetz noch die Amtsmentalität haben sich seit 1913
wesentlich verändert. "Die lesen das Gesetz wie der Teufel
das Evangelium", meint Jana Musmann.
DANIEL STURM
dst@kreuzer-leipzig.de