Daniel Sturm
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"Wie der Teufel das Evangelium"
Jana Musmann fürchtet um ihr Bleiberecht, doch die Behörde schweigt.
Kreuzer, April 1999

In Leipziger wie in anderen deutschen Amtsstuben sind Gesetzestexte oft wie heilige Texte: nirgends liegen sie aus und vom Hohepriester, der die Texte mit Klarheit und Liebe auszulegen bereit wäre, fehlt jede Spur.

Stattdessen hören Ausländer wie Jana Musmann dann Sätze wie am Stammtisch: "In drei Monaten müssen wir sie abschieben".

Jana lebt seit sieben Jahren in Deutschland und ist seit fünf Jahren mit einem Deutschen verheiratet. Seit 1998 steht ihr deshalb ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu. Doch ihr psychisch kranker Mann, der schon den halben Bekanntenkreis bei der Polizei angezeigt hat, hat jetzt seine eigene Frau verleumdet und ihr "Scheinehe" vorgeworfen.

Obwohl Musmann ein halbes Dutzend ärztlicher Attests besitzt, die belegen, daß ihr Mann dauerhaft Psychopharmaka schluckt, fanden die Worte des Deutschen Gehör bei der Ausländerbehörde. Musmanns Aufenthaltsgenehmigung wurde nur bis zum 16. April verlängert - vorläufig.

"Wenn das so ist, dann muß eine schriftliche Strafanzeige vorliegen und der Mann muß sich selber angezeigt haben", sagt Karin Pergold vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften (iaf). Außerdem müßten der ermittelnden Behörde triftige Beweise, zum Beispiel ein Beleg über den "Kaufpreis" von etwa 10.000 DM vorliegen. Doch die Ausländerbehörde hüllt sich hierzu in Schweigen: Nach zehn Tagen dauernden Nachfragens meldete sich schließlich der stellvertretende Amtsleiter beim KREUZER: Er kenne die Telefonnummer der Pressesprecherin der Stadt Leipzig nicht. Diese hatte zehn Tage zuvor grünes Licht für eine Auskunft erteilt.

"Das ist eine schlimme Sache", meint Pergold von der iaf. Der Verband, dessen Geschäftsstelle für die neuen Bundesländer in Leipzig ist, fordert eine Änderung des Paragraphen 19 des Ausländergesetzes. Dieser legt fest, daß ausländische Ehepartner erst nach vier Jahren ein eigenes Bleiberecht bekommen. Nach Ansicht von Kritikern verleitet der Paragraph leicht zum Machtmißbrauch, da der ausländische Partner in den ersten vier Jahren oft vom good will des Deutschen abhängig ist.

Um die Rechte der "lieben ausländischen Mitbürger" scheren sich die Behördianer oft wenig. Darum müssen sich die Ausländer schon selber kümmern. Viele deutsche Ausländer sind deshalb unwillentlich zu Privatgelehrten geworden, kaufen sich die neueste Ausgabe des Gesetzestextes, während man auf dem Amt mit vergilbten Kopien arbeitet. Macht ja auch gar nichts, denn weder das Gesetz noch die Amtsmentalität haben sich seit 1913 wesentlich verändert. "Die lesen das Gesetz wie der Teufel das Evangelium", meint Jana Musmann.

DANIEL STURM
dst@kreuzer-leipzig.de