Studio Babelsberg nutzt Teststrecke
L.E.
Kreuzer, Juni 2000
Das Studio Babelsberg will in Leipzig eine
neuartige Abteilung für Marketing aufbauen. Vom Büro in der
Hainstr. 19 aus will man künftig die Kräfte gegen die Filmkonkurrenten
aus Bayern und Nordrhein-Westfalen bündeln.
Die Schlüssel für die neuen Büroräume
in der Hainstraße haben die Filmleute aus Babelsberg erst gerade
bekommen. "Jetzt suchen wir uns Verbündete", sagt Jürgen
Bergfried mit entschlossener Stimme. Bergfried leitet im Potsdamer Studio
Babelsberg den Bereich Kommunikation und Marketing. Mit dem Stützpunkt
Leipzig haben die Babelsberger Großes vor: Von der Leipziger Filiale
aus sollen schon 2001 Marketing und Presse gesteuert werden. "Filmmarketing
ist ein Stiefkind des deutschen Films", sagt Bergfried. Deshalb
wollen die Babelsberger jetzt mit einer ausgetüftelten Strategie
den großen Filmstudios aus Köln-Hürth und München
(Bavaria) Paroli bieten.
Das Zauberwort heißt "Primärdatenerforschung".
Danach sollen Filme vom frühestmöglichen Zeitpunkt ihrer Herstellung,
als schon die Drehbücher, auf ihre Marktfähigkeit gestetet
werden. Üblicherweise findet Vermarktung erst durch den Filmverleih
statt, wenn der Film bereits abgedreht ist. Babelsberg schwebt nun aber
eine Art mitteldeutsche Teststrecke für Filme vor, auf der 300
angehende Mediengestalter zwischen 18 und 49 Jahren die Drehbücher
kritisch unter die Lupe nehmen. Dabei will die Filmfirma eng mit der
Mediadesign-Akademie Leipzig kooperieren, die an Standorten wie Erfurt
und Magdeburg weitere Schulen unterhält.
Nachdem das Testprinzip im ersten Jahr marktreif geworden sein soll,
plant das Unternehmen im Juni 2001 ein professionelles Stadium zu erreichen,
so dass ab diesem Zeitpunkt Filmproduzenten aus ganz Deutschland die
Test-Factory der Babelsberger nutzen können. Rund 1.500 Mediengestalter
werden dann während ihres Studium Praxiserfahrung mit dem Projekt
sammeln - und gleichzeitig den Babelsberger Drehbuch-Autoren ein objektives
Meinungsbild vermitteln. Den Einwand, nach einer Markterforschung könnten
künstlerisch anspruchsvollen Drehbücher so verändert
werden, dass hinterher nur kommerzielle Schmalspur-Produktionen herauskämen,
läßt Stephan Kalesse, zuständig für Marketing und
Sales bei Babelsberg, nicht gelten: "Durch die Tests erreichen
wir nur eine höhere Fallzahl, dadurch wird die Arbeit der letztlich
entscheidenden Lektoren nur unterstützt."
Hintergrund der Aktivitäten ist ein Ausbildungskonzept, das der
große Filmstifter der Region, die Mitteldeutsche Medienförderung
(MDM), an Förderzusagen knüpft. Babelsberg plant noch in diesem
Jahr TV- und Kinofilme in einem Produktionsvolumen von 25 Millionen
DM in der Region abzudrehen, die von der MDM bezuschußt werden.
So soll die junge Medienstadt Leipzig von Ansiedlungen wie der Ufa,
die jetzt mit Soko L.E. startet oder Studio Babelsberg profitieren.
Die Büroräume in der Hainstraße haben die Babelsberger
zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Film bezogen. Dahinter verbergen
sich die Casting-Agentur WIPP, die Agrippina Versicherung und der Mitteldeutsche
Film- und Fernseh-Produzentenverband.
Zu Ruhm und Glanz waren die 1912 gegründeten Studios Babelsberg
unter anderem mit Filmen wie "Der blaue Engel" mit Marlene
Dietrich und Fritz Langs "Metropolis" gekommen. Pola Negri,
Greta Garbo oder Marlene Dietrich haben dort gedreht. Zu DDR-Zeiten
residierte die DEFA in Babelsberg. Nach dem finanziellen Absturz 1990
verkaufte die Treuhand-Anstalt die Studios 1992 an die französische
Compagnie Générale des Eaux. Die noch existierenden Ufa-Bauten
und Defa-Studios, Werkstätten und Büros waren zu DDR-Zeiten
verschlissen und wurden kurzerhand abgerissen. 800 Millionen DM sind
seither in Gebäude, Straßen und Maschinen der Filmfabrik
geflossen. 1998 wurde für Leander Haußmanns Film "Sonnenallee"
die Mauer wieder aufgebaut. Mit 3,5 Millionen DM war sie die teuerste
Außenkulisse auf dem Gelände der alten DEFA-Studios seit
der Wende.
DANIEL STURM
Studio Babelsberg Leipzig, Dirk Beinholt, Hainstr. 19,
04109 Leipzig, Tel. (0341)
www.studiobabelsberg.de